Schwarzenberger Weihnachtsmarkt erlebt Ansturm

Schwarzenberg, 6. Dezember 2015. Von Thomas Beier. Die erzgebirgischen Weihnachtsmärkte zeichnen sich durch den vorweihnachtlich-fröhlichen Frieden aus, den sie verbreiten. Hier wird konsequent auf Klamauk jeder Art verzichtet, mit dem anderenorts Kulturfunktionäre glauben, die Veranstaltungen aufpeppen zu müssen. Zu den beliebtesten Weihnachtsmärkten in Sachsen zählt zweifelsohne der Schwarzenberger, der vorgestern eröffnet wurde und schon ein den ersten Tagen außerordentlichen Zuspruch erfahren hat. "Ist ja fast, als ob schon Bergparade wäre", äußerte sich Kurt Neubert aus Pöhla am Sonnabendnachmittag am Drachenfeuer-Stand auf der Oberen Schloßstraße zur aktuellen Gedrängelage. Noch bis zum 13. Dezember 2015 ist täglich von 11 bis 20 Uhr Gelegenheit, die Stimmung mitten im Weihnachtsheimatland zu erleben.

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Der Stern des Anstoßes

Thema: Woanders

Woanders

"Woanders" – das ist das Stichwort, wenn der Görlitzer Anzeiger auf Reisen geht und von Erlebnissen und Begegnungen "im Lande anderswo" berichtet. Vorbildliches, Beispielhaftes und Beeindruckendes erhält so auch im Regional Magazin seine Bühne.

Wer über den Schwarzenberger Weihnachtsmarkt 2015 schlendert und wachen Auges ist, erkennt ein geheimes Zeichen, mit dem sich ein Großteil der Schwarzenberger verbunden fühlt: Den Roten Stern. Auch der Weihnachtsengel, der gemeinsam mit dem Bergmann das Begrüßungs-und Beglückwünschungsschild hält (Abbildung ganz oben), trägt den - sagen wir es unumwunden - Sowjetstern am Häubchen.

Dass das kein Zufall sein kann weiß jeder, der sich mit der berühmten Geschichte des Gebietes der früheren Amtshauptmannschaft Schwarzenberg seit 1945 ein wenig auseinandergesetzt hat. Was manche als "Legendenbildung" verunglimpfen möchten, muss sich jedoch an den historischen Tatsachen messen lassen.

Die Tatsachen:

    • Im April und Anfang Mai 1945 waren Aufklärer der US-Army in Schwarzenberg, zogen sich aber wieder zurück.
    • Ein antifaschistischer Aktionsauschuss hat am 12. Mai 1945 die Naziverwaltung abgesetzt und die Macht selbst übernommen.
    • In Abstimmung mit dem Aktionsausschuss hat die ruhmreiche Sowjetarmee das Gebiet erst am 26. Juni 1945 besetzt. Die Sowjetunion hatte besondere Interessen an der Region.
    • Kurze Zeit später startete die Sowjetische Aktiengesellschaft (SAG) WISMUT mit der Erkundung des Altbergbaus und teufte erste Schächte in Schlema und Johanngeorgenstadt, um Pechblende (Uranerz) zu gewinnen. Aus dem Schacht 2 in Johanngeorgenstadt stammt das Uran für die erste sowjetische Atombombe. In Schneeberg entstand die Erzwäsche, in der mittels Säure das Uran aus der Pechblende gelöst wurde.

    Die WISMUT brachte Wohlstand, aber auch Umweltzerstörung, Krankheit und Tod ins Erzgebirge. Besonders in den ersten, den sogenannten wilden Jahren, als der Abbau um jeden Preis mit hohen Prämien stimuliert wurde, bohrten viele Hauer trocken. Der radioaktive Bohrstaub, aber auch das radioaktive Edelgas Radon sorgten später verbreitet für den hier "Schneeberger Krankheit" genannten Lungenkrebs. Diese Umstände sorgten für eine Hassliebe der Deutschen zu den sowjetischen Führungskräften und Experten in der WISMUT - eine auch von Respekt getragene Hassliebe, die bis heute wirkt.

    Eines der Symbole der frühen "DDR"-Planwirtschaft war der Rote Stern, der auf den verstaatlichten, sprich enteignenten, und auf den neu gegründetet staatlichen Betrieben montiert wurde. Wenn er abends erleuchtete, sollte das zeigen, dass der Tagesplan im Volkseigenen Betrieb (VEB) erfüllt worden war. Auch die Betriebe der inzwischen Sowjetisch-Deutschen Aktiengesellschaft (SDAG) WISMUT montierten sich die Roten Sterne aufs Dach, so weithin sichtbar ebenfalls die Erzaufbereitung in Schlema, Lieferant des "yellow cake" genannten ausgelaugten Urans.

    Als sich zeigte, dass ein Plan nicht allein mit Prämien sowie Agitation und Propaganda erfüllt werden konnte, ging man dazu über, die Roten Sterne nicht mehr nur bei Planerfüllung, sondern jeden Abend leuchten zu lassen - Planungserfüllung als Selbstverständlichkeit wurde so suggeriert. Die Erzaufbereitung in Schlema hatte das lange durchgehalten.

    Was aber hat die Geschichte des Sowjetsterns im Erzgebirge mit dem Schwarzenberger Weihnachtsmarkt zu tun?

    Offenbar ist er nicht nur zum Symbol des Stolzes auf bergmännische Traditionen mutiert, sondern der Rote Stern steht auch für die Ereignisse rund um die Freie Republik Schwarzenberg, die sechs basisdemokratisch regierten Wochen im Frühjahr 1945.

    Einem Recherchekollektiv des Görlitzer Anzeigers und Schwarzenberger Aktivisten ist es zu verdanken, dass ein Spannungsbogen von der Besetzung Schwarzenbergs und den KGB über die Verschleppung des Bernsteinzimmers bis hin zur Besetzung der Krim ermittelt und in Zusammenhang gebracht werden konnte.

    Offenbar gibt es in der Gegend um Schwarzenberg mehr Wissende, als sich öffentlich bekannt machen. Der Rote Stern ist ihr Erkennungszeichen.

    Verwirrung im Schlosshof

    Zum Schwarzenberger Weihnachtsmarkt 2015, der die Plätze, Straßen und Gassen der Altstadt durchzieht, findet im Hof von Schloss Schwarzenberg (Deckname: Perla Castrum) ein durch und durch traditioneller Weihnachtsmarkt statt. Den hat der Blechschmidt, Lutz (bekannt als Honig-Walter) organisiert und den Schlosshofhimmel wunderschön mit weißen leuchtenden Sternen behangen. Warum er an exponierter Stelle darunter einzelne Exemplare des Roten Sterns gemixt hat, sollten der Leser und die Leserin dieses Beitrags jetzt zumindest ahnen.

    Die weiteren Geschehnisse verleiten zu Spekulationen, doch lassen wir die Fakten sprechen. Am Tag vor der Eröffnung des Schwarzenberger Weihnachtsmarktes durch Oberbürgermeisterin Heidrun Hiemer hatte die Amtsleiterin des Hauptamtes der Stadtverwaltung Sylvia Mack den Schlosshofmarkt abgenommen und speziell den Sternenhimmel sehr gelobt.

    Die Widersprüche zwischen den Sternen-Anhängern und -Gegnern traten zu Tage, als am Freitag, dem 4. Dezember 2015, dem Eröffnungstag, eine maßgebliche Vertreterin der Kulturwissenschaften noch versuchte, anstelle des bereits installierten Sternenhimmels nur die finstre Nacht über dem Schlosshof zuzulassen.

    Der Blechschmidt, Lutz - zwar argumentationskräftig, doch dem zarten Geschlecht regelmäßig unterlegen - war heilfroh, das Attestat der Amtsleiterin auf seiner Seite zu wissen. Nur so konnte er die Finsternis über dem Schlosshofhimmel vom hellen Glanz der Sterne verdrängen lassen.

    Wenn der helle Schein des Sterns von Bethlehem die Finsterns auch aus so manchen politsch dunklen Köpfen drängen könnte, würde die Weihnachtsgeschichte ihre Wirkung noch stärker entfalten.

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Kommentare Lesermeinungen (1)
Lesermeinungen geben nicht unbedingt die Auffassung der Redaktion, sondern die persönliche Auffassung der Verfasser wieder. Die Redaktion behält sich das Recht zu sinnwahrender Kürzung vor.

Welcher ist besser?

Von Milan Turek am 09.12.2015 - 12:10Uhr
Welche Stadt der Lausitz ist schöner oder die schönste?

Wenn jemand besucht Bautzen hat sehr guten Eindruck aus monumentalen Architektur des Ortenburgs und vielen Türmen. Aber viele und schöne altere Straßen in Görlitz machen die Stadt geheim und gemütlich. Manche Gebäude sind extrem interessant und auch das Angebot der verschiedenen Stadtführungen ist unglaublich. Tscheche gerne besuchen Brauerei und auch Berzdorfer See.

Leider Stadt Görlitz macht nicht gut wirkungvolles Marketing nach Tschechien. Berliner Fernsehen hat einen Film über Seen gedreht aber über Görliltz habe ich nichts gehört. Einen Film über Seen ich kann in Touristzentrum z.B. oder bei den Vorträgen bei uns zeigen. Über Görlitz ich habe keine Bilder, nur kleinen Stos der alteren Flyer.

Ich wünsche zum neuen Jahr alles Gute und viele Erfolge bei der Arbeit!

Milan Turek aus Liberec

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  • Quelle: red | Fotos: © Görlitzer Anzeiger
  • Erstellt am 06.12.2015 - 15:13Uhr | Zuletzt geändert am 07.12.2015 - 16:55Uhr
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