Angesagt: Sachsenwahl!

Angesagt: Sachsenwahl!Vierkirchen / Arnsdorf, 23. Juli 2019. Von Thomas Beier. Arnsdorf hat rund 500 Einwohner – und gestern etliche Gäste dazu. Anlass war die Einladung des sächsischen Ministerpräsidenten zu "Kretschmer grillt", die Leute aus dem ganzen Landkreis Görlitz in den Pfarrhof zur Arnsdorf gelockt hatte.
Abbildungen: Kretschmer spricht, die LandKino-Scheune des Arnsdorfer Pfarrhofes ist bis in die Ränge voll besetzt

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Ländlicher Raum in der Entwicklung gleichberechtigt zu den Ballungszentren

Ländlicher Raum in der Entwicklung gleichberechtigt zu den Ballungszentren

Dass es bei den diesjährigen sächsischen Landtagswahlen am 1. September um die Wurst geht (der Sachse sagt gepflegt "Wurscht"), ist dem Wahlvolk klar und entsprechend groß war das Interesse daran, welche Standpunkte der Ministerpräsident dazu vertritt. Nach einem kurzen Vorspiel von Pfarrer Andreas Fünfstück, zweier Damen von sci-d.de und der Vierkirchener Bürgermeisterin Andrea Weise samst Feuerwehr und – da werden andere Bürgermeister neidisch – aktiver Jugendfeuerwehr legte Kretschmer los und erklärte seine Politik, bevor er sich den Fragen des Publikums stellte.

Kurz gesagt: Kretschmer hat sich mit Bravour geschlagen, die heißen Eisen nicht ausgelassen und sich nötigenfalls – nämlich dort, wo die politische Diskussion am stärksten tobt – höchst persönlich positioniert. Was er politisch leistet, um die CDU zum Wahlerfolg zu führen, gleicht der Quadratur des Kreises. Vor allem will er die Sächsiche Union nicht unmittelbar bei der Berliner Union verortet wissen, fast konnte man den Eindruck gewinnen, Berlin sei weiter weg als Bonn und München sowieso. In Sachsen funktioniere das Regierungsbündnis zwischen CDU und SPD, betonte Kretschmer, was Berlin an Regierungsarbeit abliefere, sei nicht Sache der Sachsen.

Nun muss man der CDU zugute halten, dass sie die einzige verbliebene handlungsfähige Universalpartei ist. Die Bundes-SPD bleibt weiter auf Selbstzerlegungskurs und liefert mit der ins Auge gefassten Kohlendioxidsteuer Munition sowohl für Klimaleugner wie auch nüchtern denkende Menschen. Otto Normalverbraucher kann seine persönliche CO2-Bilanz gar nicht beeinflussen, schon gar nicht, wenn er oder sein weibliches Pendant Otti Normalverbraucherin im ländlichen Raum wohnen – ein Gedanke, den auch Kretschmer vorbrachte: Kraftstoff und Heizenergie sind bereits so teuer, dass jeder versucht, einzusparen, eine wie auch immer ausgestaltetete neue Abgabe bringt da nichts.

Gegenüber den Bündnisgrünen blieb Kretschmer milde – vielleicht werden sie ja noch gebraucht? Sie seien in der Bekämpfung des Klimawandels zu hektisch, meinte er, man müsse es ruhiger und mit Vernunft angehen. Dennoch sei der bevorstehende Braunkohleausszieg in Deutschland und in Polen richtig. Kohlendioxid ist nun einmal der einzige vom Menschen beeinflussbare Faktor, der das Klima wirksam beeinflusst. Aber die Bündnisgrünen stehen für ein Grundproblem der CDU: Spezialisiert auf Umweltthemen gewinnen sie an Kompetenz auf anderen Feldern hinzu, so in der Wirtschaftspolitik, während die alle Themen bedienende CDU solch spezialisierten Lanzen wenig entgegenzusetzen hat. Auch in der Politik gilt die Marketingregel: Wer etwas gut kann, dem traut man auch anderes Gutes zu, wer aber behauptet, alles zu können, dem traut man nichts zu. Aber weise Leute machen aus ihren Gegnern Verbündete und gewinnen so in den Augen der Wähler deren Kompetenzen hinzu. Geht es also dem Morgenrot entgegen, dem schwarz-grünen?

Eine klare Absage gab es an jene Kräfte, die die deutsche Sprache benutzen, um das gesellschaftliche Klima zu verrohen. Aus Gedanken werden Worte, aus Worten Taten, so Kretschmer. In der Tat: Wer gewählte Politiker als "Volksverräter" beschimpft, muss sich fragen lassen, welchem Gedankengut er folgt und welche Konsequenzen er aus solchen Äußerungen erwartet. Auch am rechten Rand gilt: Parteien kann man nicht nur allein an ihren Führungspersonen beurteilen, sondern auch daran, wer ihnen zujubelt. Eine Meckerpartei, die sich gegen das gesamte Spektrum der demokratischen Parteien und damit gegen alles Erreichte stellt, würde Sachsen um Jahre zurückwerfen, vom Imageschaden ganz zu schweigen.

Leider konnte der Ministerpräsident während seiner Rede nicht aus der Landkino-Scheune hinaustreten auf den Hof, wohin seine Worte akustisch übertragen wurden. Er hätte vorgefunden, was für die Leute auf dem Lande die Heimat ausmacht: Nicht etwa die leckere Bratwurst oder das äußerst leckere Nieder Seifersdorfer Bier aus der noch jungen Brauerei (die für ihr Marketing nur noch lernen muss, dass eine provisorische Website allemal besser ist als eine für den Zugang gesperrte), für die man jeweils die Möglichkeit hatte, zu spenden, nein – es waren die vielen Leute, die in ihren Vereins- oder Firmen-T-Shirts unterwegs waren. Das ist eine Form von Identität, die vor allem der ländliche Raum bietet, egal, woher man nun kommt und wie man aussieht. Auf dem Dorf integriert sich automatisch, wer sich engagiert und mit anpackt.

Der ländliche Raum bietet nicht nur intakte Sozialstrukturen, sondern hier liegen zudem die meisten sächsichen Arbeitsplätze. Deshalb ist für Kretschmer die Förderung der ländlichen Regionen mindestens ebenso wichtig wie die der Ballungszentren. Im Dialog mit den Gästen wurde er konkret: Wie wird es weitergehen mit Ärzten auf dem Lande, mit den Läden in den Dörfern? Kretschmer, der in Holtendorf bei Görlitz lebte, kennt das Thema aus dem Effeff und reagierte mit realistischer Sichtweise. Nicht jeden geschlossenen Tante-Emma-Laden könne man ersetzen. Richtig! Solche Läden sterben oft mit ihrer Zielgruppe, weil sich das Einkaufsverhalten verändert hat. Dafür soll es aber andere Versorgungsmöglichkeiten geben, von mobilen Anbietern bis hin zu Zentren, die Handel und Dienstleistungen vereinigen. Vor allem die ärztliche Versorgung ist für Kretschmer eines der ganz grundlegenden Themen, bei dem die Ansprüche junger Ärzte an eine überschaubare Arbeitszeit und wirtschaftliche Sicherheit, die nicht durch eine teure Investition in einer Praxis inklusive Personalverantwortung gefährdet wird, beachtet werden müssen.

Wenn Kretschmer betont, der ländliche Raum habe Zukunft, dann widerspricht er der Sichtweise einiger Wirtschaftsprofessoren. Die haben zwar das Strategie-Grundwissen angewendet, dass auch in der sächsischen Wirtschaft ein Stärkenausbau nötig ist, das aber verkürzt auf den Ausbau der Ballungszentren und darüber vergessen, dass die anderen Regionen über andere Stärken verfügen, an denen es anzusetzen gilt. Kretschmer bietet hier Handlungsoptionen, die auch bei SPD und Bündnisgrünen Freunde finden dürften: Neue Versorgungsstrukturen dort schaffen, wo sie in der Fläche tatsächlich zu wenig geworden sind, die Infrastruktur von der Verkehrsanbindung bis zum überall verfügbaren Breitband-Internet weiter voranbringen.

Wenn Kretschmer von einer Sachsenwahl spricht, dann beinhaltet das die große Chance auf weiter verbesserte Lebensverhältnisse und eine gute Lebensqualität, die in Deutschland in vielen Regionen so schon nicht auffindbar ist. Eines der vielen Beispiele dafür ist der Arnsdorfer Pfarrhof mit dem LandKino selbst.

Tipps:

    • LandKino und Programm

    • Sonntag, 25. August 2019, 9 Uhr.
      früheres Gasthaus "Stadt Löbau", Hauptstraße 29, 02906 Waldhufen OT Nieder Seifersdorf:
      Barbecue am Brauhaus mit Spare Ribs und Pulled Pork Burger
      Eine Veranstaltung der Brauhaus Nieder Seifersdorf GmbH.

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  • Erstellt am 22.07.2019 - 23:07Uhr | Zuletzt geändert am 23.07.2019 - 10:23Uhr
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