Von der Manufaktur zum automatisierten Geschäft

Von der Manufaktur zum automatisierten GeschäftBautzen / Budyšín, 15. Juli 2021. Von Thomas Beier. Manchmal werde ich als Berater gefragt, wie man ein erfolgreicher Unternehmer wird. Die Antwort aus heutiger Sicht ist, zum richtigen Zeitpunkt die richtigen Informationen zu haben und diese dann konsequent für die Vermarktung zu nutzen. Um an nutzbare Informationen zu gelangen, muss man natürlich in der Lage sein, diese überhaupt zu erkennen. Das setzt Wissen voraus.

Im Turihallum der Geheimen Welt von Turisede (früher Kulturinsel Einsiedel) bei Görlitz befindet sich die Geheime Bibliothek
Foto: © BeierMedia.de
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Ohne Bücher kann man nicht klug werden

Ein wichtige Rolle spielen dabei – die Generation digital media wird es nicht glauben – Bücher. Genau, diese unhandlichen Dinger aus Papier, die weder Akku noch Bildschirm haben. Für die Fähigkeit, nützliche Informationen überhaupt erkennen zu können, spielen sie, so glaube ich, eine wichtige Rolle – und damit meine ich ausdrücklich nicht Fachbücher. Durch die Art und Weise, wie Bücher gelesen werden, wird ihr Inhalt anders verarbeitet, als wenn man an einem Bildschirm lesen würde.

Es gibt Bücher, die haben die Welt verändert, für noch wichtiger halte ich jene Bücher, die das eigene Leben verändert haben, weil sie halfen, bestimmte Grundeinstellungen und Lebensstrategien zu entwickeln. Spätestens jetzt sollte meine liebe Freundin Jana aufmerksam werden, die in Görlitz neuerdings den Büchern die Rezeptionsfähigkeit fördernden Kaffee beigesellt, denn das clevere Mädchen macht aus dem Café Kugel auf der Weberstraße, zwischenzeitlich Neiss genannt, das Art Goreliz Café & Buchhandlung. Insider wissen: Schon auf der Brüderstraße war Jana nie um einen guten Kaffee und notfalls eine Zigarette verlegen.

Prägende Bücher

Doch welche Bücher sind es, die prägend für ein Leben sind? Soll man bei Astrid Lindgren anfangen mit "Mio, mein Mio" und dem aufklärerischen Satz: "Da ist bestimmt ein böser Gedanke von Ritter Kato vorbeigeknirscht"? Oder mit ihrem "Meisterdetektiv Blomquist", dessen Geschichte mit dem für ein Kinderbuch beeindruckenden Satz "Blut!" beginnt, um sich dann den Eigenheiten des Onkels Einar zu widmen. Vielleicht war das die Basis für andere Bücher, die Orientierung im Leben boten und zugleich aufzeigten, wo es langgehen könnte und wie man immer wieder durchkommt: Cord-Christian Troebst mit "Auf Wunder ist kein Verlass" oder Mario Simmel mit der etwas heitereren Variante "Es muss nicht immer Kaviar sein" gehören unbedingt dazu, "Das Glasperlenspiel" von Hermann Hesse nicht zu vergessen: Wer das Glasperlenspiel ein wenig übt, kann leichter Wissen von einem Gebiet auf ein ganz anderes übertragen.

Jetzt bloß nicht wehmütig werden und romantisch zu Glotzen anfangen, siehe Brecht: “Glotzt nicht so romantisch!” Aber ein Buch, das zumindest für mich einen gewissen beruflichen Vorsprung legte, muss erwähnt sein: Gerd Gehrken und Michael J. Merks veröffentlichten 1996 als Herausgeber "Szenen statt Zielgruppen": vom Produkt zum Kult, die Praxis der Interfusion. Schlagartig eröffnete sich mir die Tür, wie man in Kombination mit grundlegenden Denk- und Entwicklungssystemen Anziehungskraft auf potentielle Kunden entwickeln kann.

Online Erfolg kommt nicht von allein

In zehn Kapiteln haben damals neun Autoren die Zukunft des Marketings formuliert, ohne zu ahnen, welche Kraft das Internet Jahre später ihren Gedanken verleihen würde. Im Internet Kunden zu finden, hat immer wieder neue Vorgehensweisen hervorgebracht, die zwar wichtig sind, sich aber immer wieder nach und nach als unzureichend erwiesen haben:
  1. in Verzeichnissen gelistet sein
  2. eine eigene Webseite haben
  3. Werbung auf anderen Webseiten betreiben
  4. einen eigenen Online Shop haben
  5. in den sozialen Netzwerken aktiv und bekannt sein
  6. die Webseite für Suchmaschinen optimieren, um überhaupt gefunden zu werden
  7. Werbung in den sozialen Netzwerken schalten, um dort sichtbar zu bleiben
  8. Online Werbung optimieren durch die automatische Auswahl von Werbeplätzen nach unterschiedlichen Kriterien
An dieser Stelle erweist sich die Überschrift dieses Artikels als nicht ganz exakt: Zwar träumen viele von einem "automatisierten Geschäft", das dank einer Software Geld aufs Konto spült, während man sich den Annehmlichkeiten und Versuchungen des Lebens hingibt, doch es geht um etwas anderes: Mit Hilfe eine Software seine Werbung auf bisher unbekannte Weise so optimieren, damit diese die richtigen Zielgruppen möglichst eng umrissen auf dem kostengünstigsten Weg erreicht.

Das Stichwort dafür heißt Programmatic Advertising, eine Vorgehensweise, mit der die Idee des automatisierten Börsenhandels wie im Glasperlenspiel in die digitale Werbewelt übertragen wird. Dabei bedeutet digitale Werbung, nicht nur auf Computer- und Handybildschirmen oder etwa in Videos zu werben, sondern die Zielgruppe auch zu erreichen, wenn sie nicht im klassischen Sinne online ist, denn digitale Außenwerbeflächen, Digitalradio und Fernsehen via Internet sind einbezogen.

Grundgedanke beim Programmatic Advertising in der Werbung ist, eine ganz bestimmte Werbung nur unter vorgegebenen Bedingungen anzuzeigen, etwa nach Postleitzahl, Alter, für bereits bestehende Online Kunden oder nur für Leute, die sich für bestimmte Themen interessieren. So lassen sich Werbeeinblendungen besser auf die Empfänger der Werbebotschaft zuschneiden. Was wirkt besser auf Leute in den einzelnen Städten und Regionen: "Mode kaufen bei Firma Musterhandel" oder wenn man etwa in Bautzen angezeigt bekommt "Das ist die Mode für Bautzen!", während die gleiche Werbung automatisch in Löbau angezeigt wird mit "Das ist die Mode für Löbau!" und so weiter – und das ist nur eine sehr einfache Variante.

Wahrnehmung in der Zielgruppe entscheidet

Immer wieder ist in der Werbung entscheidend, überhaupt erst einmal von der Zielgruppe wahrgenommen zu werden. Erst dann haben Werbetreibende eine Chance, in das Gedächtnis der Zielgruppe vorzudringen. Dadurch können gewollte Kaufentscheidungen gefördert werden oder, wenn man etwa eine Marke im Langzeitgedächtnis der Zielgruppe positiv verankert, im einfachsten Fall der Effekt "Wiederseh’n macht Freude!" genutzt und damit eine Markenpräferenz unterstützt werden.

Der Autor Thomas Beier ist Unternehmensberater u.a. in der Strategie- und Organisationsentwicklung und zugleich Medienunternehmer im Digitalbereich.

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  • Erstellt am 15.07.2021 - 09:29Uhr | Zuletzt geändert am 18.06.2022 - 09:47Uhr
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