Reverse Factoring: beliebte Methode im deutschen Mittelstand

Reverse Factoring: beliebte Methode im deutschen MittelstandBautzen / Budyšin, 1. Dezember 2019. Während woanders die Indikatoren aufhorchen lassen, brummt die Wirtschaft in Ostsachsen, so auch in Bautzen. Doch was eine "brummende Wirtschaft" ist, da gehen die Ansichten auseinander: Geht es um volle Auftragsbücher, um Arbeitsplätze, um Gewinne und resultierende Investitionen in weiteres Wachstum?

Das Bautzener Kornmarktcenter symbolisiert den wirtschaftlichen Erfolg der Spreestadt
Archivbild: © Bautzner Anzeiger
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Wie man die wichtigste Aufgabe eines Unternehmens absichert

Sicherlich ist an allem etwas dran und alles ist wichtig, doch die allerwichtigste Aufgabe eines Unternehmens ist es, zu jedem Zeitpunkt liquide – also zahlungsfähig – zu sein. Ohne Aufträge, Mitarbeiter und Gewinn kann ein Unternehmen eine Weile überleben, ohne Zahlungsfähigkeit jedoch nicht. Können die Zahlungsverpflichtungen gegenüber dem Fiskus, Lieferanten und Dienstleistern und nicht zuletzt der Belegschaft nicht mehr erfüllt werden, steht der Konkurs als Folge der Pleite unmittelbar vor der Tür. So hängt an der Liquidität auch die soziale Funktion von Unternehmen als Arbeitgeber. Anders gesagt: Geht ein Unternehmen den Bach runter, wie der Volksmund sagt, dann sind auch die Arbeitsplätze weg.

Die Zahlungsfähigkeit zu planen, zu erhalten und den Bestand an liquiden Mitteln gegebenenfalls zu erhöhen gehört also zu den wichtigsten Aufgaben jeder Unternehmensführung, ob nun als Geschäftsführer oder im inhabergeführten Einzelunternehmen. Eine Methode der Liquiditätssicherung bzw. Liquiditätsverbesserung ist das bekannte Factoring, das in vielen Varianten unter diversen Namen praktiziert wird, so als offenes, stilles, echtes und unechtes Factoring, um einige Beispiele zu nennen. Reverse Factoring ist eine Methode, die zwar beliebt, jedoch noch nicht allzu bekannt ist. Immer mehr Unternehmen machen gute Erfahrungen damit.

Auch für kleinere Betriebe ist es hilfreich, sich einmal mit dem Factoring allgemein zu beschäftigen und zu schauen, wie dieses sich vom Reverse Factoring unterscheidet.

Was funktioniert einfaches Factoring?

Beim Factoring geht es um den Verkauf offener Forderungen an ein spezielles Factoringunternehmen. Damit Forderungen verkauft werden können müssen diese freilich existieren, also verifizierbar sein. Zudem muss der Forderung grundsätzlich ein Produkt oder eine Dienstleistung zugrundeliegen.

Ist die Rechnungslegung mit einem für den Leistungserbringer zu langen Zahlungsziel (die Zeit bis zum erwarteten Eingang des Geldes) verbunden, es wird aber sofortige Liquidität benötigt, kann die offene Forderung an ein Unternehmen verkauft werden, von dem der Rechnungslegende sofort oft 80 bis 90 Prozent der Forderungssumme erhält. Das restliche Geld abzüglich der Gebühren kommt allerdings erst, nachdem der Zahlungsverpflichtete seine Rechnung beglichen hat. Je nach den vereinbarten Umständen Art kann das Geld an das Unternehmen oder direkt an den Factor gehen.

Wie läuft das Reverse Factoring ab?

Wie es der Name bereits vermuten lässt ist Reverse Factoring eine umgekehrte Art des normalen Factorings, auch bekannt als Einkaufsfinanzierung. Hierbei geht es nicht darum, umgehend an geldliche Mittel zu kommen, sondern an Rohstoffe oder andere Einkäufe. Werden für ein bevorstehendes Projekt Waren oder Dienstleistungen benötigt, das Geld dafür ist aber nicht da, kann man sich mit Hilfe von Reverse Factoring weiterhelfen; der Factor kauft sozusagen Verbindlichkeiten von einem Lieferanten.

Der Factor bezahlt die Ware umgehend möglichst unter Abzug von Skonto, sobald die Ware beim Abnehmer gelandet ist und dieser die Ware auf Qualität und Richtigkeit überprüft hat. Sobald dieser Vorgang abgeschlossen ist, erhält der Abnehmer eine Rechnung inklusive Gebühren vom Factor. Für diese wird eine bestimmte Zeitspanne eingeräumt, innerhalb welcher diese Rechnung vom Abnehmer an den Factor bezahlt werden muss. Somit hat der Abnehmer ausreichend Zeit, um den Einkauf zum Beispiele für ein Projekt zu verwerten und Gewinne zu erzielen, von denen dann die Rechnung des Factors bezahlt wird.

Für wen lohnen sich die Arten des Factorings?

Nicht nur große Unternehmen profitieren vom Factoring, auch kleine Startups. "Gerade Startups haben für größere Projekte oftmals nicht das nötige Kleingeld", so die Erfahrung von Hans-Ullrich Hinner vom EMS Beraterteam in der Oberlausitz, und es könne durchaus großen Aufwand bedeuten, für am Markt unerfahrene Gründer eine passende Kreditfinanzierung zu finden. Dann wäre es gegebenenfalls eine Alternative, sich auf die Liqiditätssicherung zu konzentrieren, um mehr Geld zur Verfügung zu haben. Nicht nur bei Startups, sondern generell in Phasen, wo das Wachstum besonders hoch ist und expandiert wird, können Unternehmen vom Factoring profitieren und so über mehr Geldmittel verfügen. Ohne Factoring müssten permanent Gespräche mit der Hausbank geführt werden, was auf Dauer Aufwand bedeutet und das Risiko mit sich bringt, dass die Bank aussteigt, wenn ihr ein Projekt zu heiß wird.

Zudem können durch die sofortigen Zahlungen des Factors unter Umständen bessere Konditionen mit Lieferanten ausgehandelt werden. Im Grunde können sämtliche Unternehmen, die ihre Liquidität verbessern möchten, vom Factoring enorm profitieren. Das wirkt sich beispielsweise auf anstehende Projekte oder Investitionen aus: Sind mehr finanzielle Mittel frei als Eigenanteil für eine Finanzierung, ist eine Bank einfacher von einer Darlehensvergabe zu überzeugen. Natürlich kostet Factoring Geld, allerdings hat man mehr Geld zur Verfügung, weil es schneller da ist – eine win/win-Situation für den, der als Unternehmer und Leistungserbringer eine Rechnung ausstellt und für den, der als Factoringunternehmer diese Rechnung kauft, beim Reverse Factoring natürlich auch für den Unternehmer, der einkauft.

Mehr:
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  • Erstellt am 04.12.2019 - 11:45Uhr | Zuletzt geändert am 04.12.2019 - 13:55Uhr
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