Elektromobilität auf anderen Wegen

Elektromobilität auf anderen WegenBautzen / Budyšín, 18. August 2021. Von Thomas Beier. Zu den Themen, die vor der Bundestagswahl verstärkt hochkochen, gehören neben sozialen und wirtschaftlichen Herausforderungen ursprünglich allein grün besetzte Themen wie Ökologie, Umweltschutz und Klimaschutz und vor allem die Maßnahmen, die konkreten Zielen in diesen Bereichen dienen sollen. Oft genug gehen solche Diskussionen jedoch am Kern erfolgversprechender Lösungsansätze vorbei, etwa, wenn es um die Elektromobilität geht.

Abb.: Äußerlich unscheinbar, doch die Metaliq GmbH in Görlitz hat es in sich, denn hier werden für den mobilen wie auch stationären Einsatz geeignete Wasserstoff-Generatoren hergestellt
Foto: © BeierMedia.de
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Neue Technologien drängen in kürzeren Abständen auf den Markt

Im bundesrepublikanischen Autofahrerland denkt man dabei sofort an die mit Akkumulatoren als Energiespeichern ausgestatteten Elektroautos – und schon hagelt es Argumente dagegen, die jeder kennt: Zu geringe Reichweite, besonders im Winter, Gefahren durch brennende Akkus, die nicht gelöscht werden können, Gewinnung seltener Erden, die für die Akkuproduktion benötigt werden, durch Kinderarbeit, unzureichende Lade-Infrastruktur und mehr.

Doch im Pfeffer liegt der Hase an ganz anderer Stelle: Wird hier etwa auf eine Technologie gesetzt, die schon veraltet ist, noch bevor sie ihren großen Durchbruch erlebt? Wir leben im Zeitalter der Paradigmenwechsel, die man auch an anderer Stelle erkennen kann: Früher lief die Entwicklung neuer Technologien über viele Jahre, bevor sie endlich anwendungsreif wurden, anschließend wurden diese Technlogien über Jahre genutzt, ehe sie abgelöst wurden.

Beispiele finden sich viele: Während die Schallplatte den Markt für Tonträger über Jahrzehnte dominierte, war der Compact Disc nur ein kurzes Leben als wichtiges Speichermedium für Töne eigen. Nach Jahrzehnten analogen Fernsehens wurde 1997 der Standard für das digitale terrestrische Fernsehen DVB-T festgezurrt, nur elf Jahre folgte mit DVB-T2 ein neuer Standard, der dazu führte, dass alle DVB-T-Geräte mangels Kompatibilität zu einem Fall für das Recycling wurden. Einmal in einem Elektroauto mitzufahren, war auf den Bautzener Unternehmertagen 2011 noch ein Renner, zehn Jahre später ist damit niemand mehr zu locken. Die Entwicklungs-und Lebensdauerzyklen werden immer kürzer und sind heute so kurz, dass einzelne Technologien bereits veraltet sind, noch ehe sie zur "cash cow" – also zu Produkten, mit denen sich Geld verdienen lässt – werden.

Wasserstoff im Auto selbst erzeugen, natürlich auch im Flugzeug, in der Bahn und zu Hause

Dieses Ungemach könnte schon bald Elektro-Kraftfahrzeugen für den Straßenverkehr drohen. Wie der Görlitzer Anzeiger von einem Besuch bei der Metaliq GmbH auf dem Siemens Innovationscampus Görlitz berichtete, entsteht dort bereits eine Technologie, die das in den Weltmeeren fast unbegrenzt vorhandene Salz – chemisch Natriumchlorid – als Kraftstoff nutzt. Genauer gesagt geht es um das Natrium, das mit Wasser reagiert und neben Natriumhydroxid auch Wasserstoff als nutzbaren Energieträger freisetzt. Das Beeindruckende daran: In einer weiteren Reaktion reagiert das Natriumhydroxid mit dem Kohlendioxid aus der Luft zu problemlos deponierbarem Natriumkarbonat. Es scheint paradox: Je schneller man fährt, umso mehr Energie muss umgewandelt werden, wobei umso mehr Kohlendioxid der Luft entzogen wird!

So, wie die akkugetriebenen Kraftfahrzeuge den Verbrennungsmotor binnen weniger Jahre ablösen wollten, könnten sie nun – noch bevor dieses Ziel erreicht ist – im wahrsten Sinne des Wortes selbst alt aussehen, sicher zum Leidwesen jener, die aktuell vor allem bei Pkw in die Akku-Technologie investieren. Auch die teure Brennstoffzelle kann gleich mit abdanken, denn der ihr überlegene Wasserstoffverbrennungsmotor ist ein Kolbenmotor – Totgesagte leben länger. Es sieht also ganz danach aus, als ob die vielbeschworene Elektromobilität für Pkw und Nutzfahrzeuge sich zum Strohfeuer entwickeln könnte.

Leichte Fahrzeuge bleiben wohl eine Akku-Domäne

Anders bei leichteren Fahrzeugen, wie sie bereits sehr verbreitet sind, man denke etwa an ein- oder mehrspurige Kleinkrafträder als Elektroroller. Sie haben sicherlich wie E-Bikes und Pedelecs, vielleicht auch echte Elektromotorräder, wie ein eigentlich für Hubraum bekannter US-Hersteller beweist, eine Zukunft.

Eine Sonderrolle nehmen dabei wendige und leichte eScooter mit Straßenzulassung und großer Reichweite ein – und das aus mehreren Gründen:


    • eScooter generell sind bewährt als unkomplizierte, per App verfügbare Mietfahrzeuge
    • eScooter kann man leicht tragen und mit sich führen, etwa im Bus oder in der Eisenbahn, um auf diese Weise am Zielort sofort mobil zu sein
    • eScooter sind für viele Leute mit Bewegungseinschränkungen geeignet, die weder in die Pedale treten noch mit größeren Elektrorollern fahren können
    • eScooter mit Straßenzulassung sind sogar für den ländlichen Raum geeignet, wo es oft weder separate Rad- noch Gehwege gibt

Diese Fahrzeuge benötigen jedoch keine Hochleistungsakkus wie Autos, sondern kommen mit den robusten – man kann schon sagen herkömmlichen – Lithium-Ionen-Akkus aus.

Neue Wasserstoff-Perspektiven

Bisher ging man davon aus, große Wasserstoffmengen per Elektrolyse offshore zu gewinnen, der für die Elektrolyse nötige elektrische Strom sollte dort aus Windkraft kommen. Anschließend müsste der Wasserstoff in Rohrleitungen wie dem bisherigen Erdgasnetz bis zu den Verbrauchern und Wasserstoff-Tankstellen gebracht werden. Wird der Wasserstoff aber per chemischer Reaktion unmittelbar beim Verbraucher erzeugt, entfallen Transport und Lagerung des unter bestimmten Bedingungen hochexplosiven Gases, das als Wasserstoff-Sauerstoff-Gemisch bei bestimmten Volumenanteilen als Knallgas bekannt ist.

Wasserstoff ist das Element mit der geringsten Atommasse und wurde wegen seiner Leichtigkeit in der deutschen Luftschifffahrt als Ersatz für das im Grunde nur in den USA verfügbare, nicht brennbare Helium genutzt – jedenfalls bis zur Katastrophe dess Luftschiffs LZ 129 "Hindenburg", das am 6. Mai 1937 beim Landeanflug auf Lakehurst bei New York explodierte.

Dennoch: Gerade die Leichtigkeit und damit Flüchtigkeit des Gases sorgen dafür, dass es bei einer Anwendung, bei der es gleichzeitig erzeugt und verbraucht wird, nicht gefährlicher als ein Benzintank oder ein Akkumulator sein dürfte.

Der Autor ist Werkzeugmacher und diplomierter Maschinenbauingenieur, außerdem Fachingenieur für Informatik. 1994 hat er die Unternehmensberatung Beier Consulting gegründet und sich auf die Strategie- und Organisationsentwicklung für leistungsfähige Unternehmen und andere Organisationen wie etwa Krankenhäuser und Klinika spezialisiert. Er arbeitet seit 2005 zudem als Digitalunternehmer. Aktuell beschäftigt er sich verstärkt mit dem Strukturwandel.

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  • Quelle: Thomas Beier | Foto: © BeierMedia.de
  • Erstellt am 18.08.2021 - 12:09Uhr | Zuletzt geändert am 01.07.2022 - 18:22Uhr
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