Bürgermeisterrunde im Bautzener Rathaus

Bürgermeisterrunde im Bautzener RathausBautzen / Budyšin, 25. Januar 2023. Miteinander zu reden, das ist immer gut. Das betrifft auch Kommunen, besonders wenn sie benachbart sind. Regelmäßig gilt es, den Wettbewerb in einigen Bereichen mit gemeinsamen Interessen unter einen Hut zu bringen.

Abb.: Ritter Dutschmann steht auf dem Brunnen des Bautzener Hauptmarktes und schaut zum Rathaus. Wer er ist und was er im Schilde führt, ist weitestgehend unklar.
Archivbild: © Görlitzer Anzeiger
Anzeige

Brief an Wirtschaftsminister Dr. Robert Habeck

"Stadtentwicklung ist für mich Regionalentwicklung" – mit diesen Worten eröffnete der Bautzener Oberbürgermeister Karsten Vogt am Dienstag, dem 24. Januar 2023, eine Gesprächsrunde mit seinen Amtskollegen aus den direkt an die Stadt angrenzenden Gemeinden. Alle Bürgermeister waren der Einladung nach Bautzen gefolgt.

Auf der Tagesordnung stand der Gedankenaustausch zu Schnittmengen im aktuellen Tagesgeschäft hat und die mögliche gemeinsame Positionierung zu bestimmten Themen. Gesprochen wurde unter anderem über die Elektrifizierung der Bahnstrecke von Görlitz nach Dresden, über den Ausbau der Autobahn A4 und über den Ausbau von Wohnstandorten im Bautzener Umland.

Am Ende des reichlich einstündigen Gesprächs einigten sich die Bürgermeister ohne wenn und aber auf eine weitere intensive Zusammenarbeit in regelmäßiger Folge. "Jeder muss seine Stärken einbringen", resümierte Bürgermeister Alexander Fischer aus Doberschau-Gaußig. Um etwas zu erreichen, müsse man dann aber mit einer Stimme sprechen. Welche Themen aufgegriffen werden, soll zeitnah erarbeitet und festgelegt werden.

Das erste Treffen dieser Art hat auch ein konkretes Ergebnis gebracht. Es ist ein Schreiben an Bundeswirtschaftsminister Dr. Robert Habeck, in dem die Unterzeichnenden "mit einer Stimme sprechen". Sie fordern die zeitnahe Auswertung der 2021 vom heutigen Bundesministrium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) in Auftrag gegebenen Studie zur Situation der Pressewirtschaft. Hintergrund aus Sicht der beteiligten Bürgermeister: Gerade kostenfreie Wochenzeitungen stöhnen unter extrem gestiegenen Herstellungspreisen und kostenintensiven Vertriebssystemen, kostenpflichtige Zeitungen und Portale sehen sich mit stetig sinkenden Nutzerzahlen konfrontiert. "Zudem spült die technische Entwicklung immer mehr Portale auf den Markt, die weniger dem Neutralitätsgrundsatz im presserechtlichen Sinne folgen, sondern zur einseitigen Meinungsbildung beitragen", heißt es in dem Schreiben. Die unterzeichnenden Bürgermeister fordern eine umgehende Offenlegung der Studienergebnisse und bieten die gemeinsame Erarbeitung daraus resultierender Maßnahmen an.

Der Wortlaut des Schreibens an Bundesminister Habeck vom 24. Januar 2023

Sehr geehrter Herr Bundesminister Habeck,

die unterzeichnenden Bürgermeisterinnen und Bürgermeister der Stadt Bautzen und der direkten Umlandgemeinden wenden sich im Zusammenhang mit der vom Bund angedachten Zustellförderung für Presseverlage an Sie. Nach unserem Kenntnisstand hatte das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz bereits 2021 die Studie "Erforderlichkeit und Möglichkeit einer Bundesförderung der Pressewirtschaft" in Auftrag gegeben. Ergebnisse liegen bis zum heutigen Tag nicht vor. Das Land Sachsen hatte bereits eine entsprechende Initiative in den Bundesrat eingebracht, die von allen Bundesländern getragen wurde. Eine Initiative der Bundesregierung ist aber bis heute nicht erkennbar. Die Unterzeichnenden haben große Sorge, dass die aktuelle Marktsituation ohne das Eingreifen der Bundespolitik zu einer massiven Veränderung der regionalen Medienlandschaft führt. Wir fordern daher eine umgehende Offenlegung der Studienergebnisse und die gemeinsame Erarbeitung daraus resultierender Maßnahmen.

Die Information der Bürger erfolgt zu einem nicht unerheblichen Teil über kostenfrei an alle Haushalte verteilte Wochenzeitungen. Diese Publikationsinstrumente haben besonders in den ländlichen Gebieten einen nicht zu unterschätzenden Stellenwert. Wir verzeichnen zumindest in unserem Landkreis eine hohe journalistische Qualität und sehen für uns als regionale Politiker in Wochenblättern eine sehr wesentliche Möglichkeit, Bürgerinnen und Bürger zu erreichen. Kostenpflichtige Zeitungen und Portale sehen sich mit stetig sinkenden Nutzerzahlen konfrontiert. Zudem spült die technische Entwicklung immer mehr Portale auf den Markt, die weniger dem Neutralitätsgrundsatz im presserechtlichen Sinne folgen, sondern zur einseitigen Meinungsbildung beitragen. Die Sicht der politisch Verantwortlichen kommt dabei nicht nur zu kurz, sie wird sogar angegriffen und diffamiert. Eigene Stellungnahmen sind nur unter höchstem Aufwand, wenn überhaupt möglich. Die Unterzeichnenden sehen in dieser Entwicklung eine sehr hohe Gefahr für unsere Gesellschaft und den sozialen Frieden.

Der Markt der Wochenzeitungen, die übrigens nicht nur für die Politik, sondern auch für das regionale Handwerk und den Handel von immenser Wichtigkeit ist, sieht sich momentan mit unüberwindbaren Problemlagen konfrontiert. Die Lage auf dem Papiermarkt ist dramatisch. In wenigen Monaten hat sich der Preis verdreifacht. Die Tonne Papier kostet derzeit um die 1000 Euro. Dazu summieren sich Energiekosten, die sich im Herstellungsprozess kaum reduzieren lassen. Die gut gemeinte und aus unserer Sicht grundsätzlich richtige Einführung des Mindestlohnes von aktuell 12 Euro bringt Verteilsysteme ins Wanken. Auf Dauer ist diese Belastung in den Regionalverlagen nicht zu leisten und ein Umlegen der Kosten auf die Kunden der falsche Weg. In der Folge wird der Zeitungsvertrieb an erster Stelle in ländlichen Gebieten, später auch in Mittelstädten eingestellt.

Die Unterzeichnenden halten die Situation für sehr schwierig aber nicht aussichtslos. Wir erwarten eine zeitnahe Reaktion Ihres Ministeriums zum Schutz der Pressevielfalt. Schützen Sie die Unternehmen und schützen Sie auch die regionale Politik!


Die Unterzeichner sind:
Karsten Vogt, Oberbürgermeister der Stadt Bautzen
Dr. Robert Böhmer, Bürgermeister der Stadt Bautzen
Gerd Schuster, Gemeinde Neschwitz
Markus Michauk, Gemeinde Großpostwitz
Thomas Polpitz, Gemeinde Obergurig
Gerald Meyer, Gemeinde Göda
Alexander Fischer, Gemeinde Doberschau-Gaußig
Hardy Glausch, Gemeinde Großdubrau
Madeleine Rentsch, Gemeinde Radibor
Matthias Seidel, Gemeinde Malschwitz
Olaf Reichert, Gemeinde Kubschütz


Kommentar:

Ganz ohne Kommentar kann man diese bürgermeisterliche Initiative, die fast schon den Eindruck einer Verlautbarung einer Anzeigenblätter-Lobby macht, nicht stehenlassen.

Anzumerken ist, dass die Versorgung mit Tageszeitungen auch im letzten Winkel des Landes gesichert ist. Das ist dem deutschen Presse-Grosso zu verdanken, das es übrigens auch kleinen Verlagen den flächendeckenden Vertrieb ihrer Presseerzeugnisse ermöglicht. In den 57 Grossogebieten unterliegen die jeweiligen Pressegrossisten dem Kontrahierungszwang: Das bedeutet, dass jede Verkaufsstelle mit jeder auf dem Markt erhältlichen Publikation beliefert werden muss. Außerdem müssen nicht verkaufte Exemplare zurückgenommen werden. Das ist doch eine sehr gute Ausgangssituation, oder? Um diese zu erhalten, kann der Einsatz von Fördermitteln nowendig und sinnvoll sein.

Sicher ist die wirtschaftliche Situation sowohl für Tages- und Wochenzeitungen als auch für Anzeigenblätter nicht einfach, wie beispielsweise die Zusammenlegung von Redaktionen oder die weitgehend automatisierte Nachrichtenübernahme zeigen. Die andere Seite: Wirklich innovativ sind nur wenige und manche bewegen sich im Markt wie große Dampfer, während effiziente kleine Boote an Bedeutung gewinnen – siehe den Kommentar zu diesem Beitrag aus dem Jahr 2013.

Es macht wenig Sinn, gegen neue Onlineportale zu wettern, zumal, wenn sie sich gar nicht als Presse definieren: Was die Pressefreiheit nicht deckt, deckt die Meinungsfreiheit – in ihren Grenzen – allemal.

Die Veränderungen in den Märkten haben wir in der Regional Magazin Gruppe zu spüren bekommen. Im Jahr 2005 waren wir angetreten, um jenen Lokalnachrichten, die sonst schnell untergehen, zu mehr Beachtung zu verhelfen. Dass wir damit den Hebel am wirkungsvollsten Punkt angesetzt hatten, bewiesen die vielen Leserkommentare.

Doch der Markt hat sich geändert: Die Kommentare sind längst in die Netzwerk-Plattformen des Internets – die ja keine sozialen, sondern gesellschaftliche Netzwerke sind – abgewandert und die Lokalnachrichten werden dort von jenen verbreitet, die lieber auf Facebook & Co. trällern und dödeln, als ihre Arbeit zu machen. Mal ehrlich: Ist es die Aufgabe von Behörden und Institutionen, ihre Neuigkeiten unter Umgehung der Presse auf eigenen Kanälen zu verbreiten? Die Antwort ist müßig, doch schon dieses Beispiel macht deutlich, dass sich Entwicklungen nicht aufhalten lassen.

Es geht immer ums Gestalten, aber nie darum, Verhältnisse zu zementieren. Als erfahrener Strategieberater im gesunden Mittelstand und bei kommunalen Dienstleistern – Gründung der Beier Consulting im Jahr 1994 – weiß ich, wovon ich spreche. Logisch, dass wir unser Knowhow auch im eigenen, im Jahr 2005 gegründeten gewerblichen Bereich anwenden.

Heute macht es für uns keinen Sinn, auf anderen Plattformen gestreute Nachrichten weiterzuverbreiten oder, was viele erwarten, kostenlos Veranstaltungen anzukündigen, sprich zu bewerben. Lieber widmen wir uns immer öfter Themen von allgemeinem Interesse und erfahren damit deutschland- und weltweit Aufmerksamkeit. Davon profitieren übrigens die Oberlausitzer Kommunen.

Bleiben Sie tapfer!

Ihr Thomas Beier

Kommentare Lesermeinungen (0)
Lesermeinungen geben nicht unbedingt die Auffassung der Redaktion, sondern die persönliche Auffassung der Verfasser wieder. Die Redaktion behält sich das Recht zu sinnwahrender Kürzung vor.

Schreiben Sie Ihre Meinung!

Name:
Email:
Betreff:
Kommentar:
 
Informieren Sie mich über andere Lesermeinungen per E-Mail
 
 
 
Weitere Artikel aus dem Ressort Weitere Artikel
  • Quelle: red / Kommentar: Thomas Beier | Foto: © Görlitzer Anzeiger
  • Erstellt am 25.01.2023 - 09:39Uhr | Zuletzt geändert am 07.02.2023 - 11:07Uhr
  • drucken Seite drucken
Anzeige