Die Fähigkeit zu bezahlter Arbeit

Die Fähigkeit zu bezahlter ArbeitBautzen / Budyšín, 5. Mai 2022. Von Thomas Beier. Für Arbeitnehmer ist die Fähigkeit, ihre Arbeitskraft unter den Bedingungen eines Arbeitsvertrages zu verkaufen, nicht automatisch gegeben, sie kann sogar verlorengehen. Das führt zu unnötiger Belastung der Sozialsysteme und lässt manche Unternehmen händeringend nach Mitarbeitern suchen.

Abb.: Oft reicht ein Anstoß für den ersten Schritt, damit man seinen Weg findet und ihn gehen kann
Bildquelle: Hans van Woerkom, Pixabay License
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Unbesetzte Stellen einerseits und Arbeitsuchende andererseits: Wie passt das zusammen?

Tatsächlich steht einer enormen Zahl unbesetzter Stellen eine gleichfalls enorme Anzahl Arbeitssuchender gegenüber. Wo liegt das Problem und welche Lösungsansätze gibt es?

In vielen Fällen passen die vorhandene Qualifikation und Berufserfahrung nicht für die freien Stellen, für die meist ausdrücklich “Fachkräfte” gesucht werden – auch in Bautzen ist das so. Das ist ein riesiges Problem, denn im Gegensatz zu verbreiteten Meinungen können auch formale Qualifikationen nicht ohne weiteres erworben werden – ein Lehrgang oder eine umfassende Aus- oder Weiterbildung bringen oft gar keinen Effekt. Die Bandbreite der Gründe reicht von Lernunwilligkeit, sprich: zerstörter Lernmotivation bis hin zu zwar formal zertifizierten, aber im Grunde unprofessionell agierenden Bildungsanbietern, deren Geschäftsmodell darauf basiert, möglichst viele Teilnehmer zu gewinnen und Dozenten billig einzukaufen.

Die Wahrheit zeigt sich in der betrieblichen Praxis

Liegt etwa das Hauptanliegen eines Bildungsträgers lediglich darauf, Bildungsmodule abzurechnen und Kursabsolventen zu erzeugen, haben die hier erlangten Abschlüsse beziehungsweise Zertifikate keine Aussagekraft: Das Totalversagen in der betrieblichen Praxis ist damit programmiert. Ebenso bedenklich ist es, wenn Bewerber auf vermutlich erwartete Eigenschaften hin trainiert werden: Von Teamfähigkeit, Belastbarkeit, Einsatzbereitschaft etc. pp. ist dann die Rede. Damit aber kann man sich von anderen bewerbern nicht differenzieren und könnt es tatsächlich zu einem Vorstellungsgespräch, bröckelt die Fassade schnell.

Noch ein Beispiel dazu: In Bewerbungsprozessen möchten Bewerber ihre Beschäftigungsfähigkeit oft mit der Behauptung untermauern, sie seien in der Lage, selbständig zu arbeiten. Doch eigenverantwortliches Handeln in der Arbeitswelt umfasst im Kern das selbständige Erkennen, Priorisieren und Ausführen von Arbeitsaufgaben – und ist sehr oft Fehlanzeige.

Tipp:
Das ifaa – Institut für angewandte Arbeitswissenschaft e.V., Düsseldorf, hat für Führungskräfte eine Checkliste zur Eigenverantwortung für Leistung und Gesundheit bei der Arbeit entwickelt und zum Download bereitgestellt.


Das andere Extrem ist gegeben, wenn Mitarbeiter meinen, sie müssten nur alles erklärt und gezeigt bekommen, dann würden sie es auch ausführen können, anstelle – und darum geht es – selbst die nötigen Vorgehensweisen und Lösungen zu finden. Überhaupt ist die Eigenverantwortung eines Arbeitnehmers regelmäßig begrenzt, im Außenverhältnis haftet der Unternehmer oder bei juristischen Personen das Unternehmen.

Unterstützung annehmen

Beschäftigungsfähigkeit geht verloren, wenn der Bezug zur Arbeitswelt verloren geht, wie es etwa bei längerer Arbeitslosigkeit der Fall ist. Dann werden tägliche Pflichten und Routinen oder betriebliche Anweisungen, die für Beschäftigte Normalität sind, schnell als unzumutbar oder als Gängelung empfunden. Ist es erst einmal so weit gekommen, dann wird es schwierig, ins Arbeitsleben zurückzufinden: Selbst ein angemessener Arbeitsplatz hilft wenig, wenn ein strukturierter Tagesablauf nicht mehr gewohnt ist oder die kleinste Herausforderung als unüberwindliche Hürde gehen wird.

In solchen Fällen müssen jene, die wieder in die Arbeitswelt einsteigen sollen, zunächst an das Wollen herangeführt werden. Erst dann können sich Lern- und positive Veränderungseffekte einstellen. Hier unterstützen die Arbeitsagenturen und Jobcenter mit dem Aktivierungs- und Vermittlungsgutschein, kurz AVGS genannt. Mit diesem kann etwa ein AVGS Coaching, das individuell ansetzt, in Anspruch genommen werden.

Tipp:
Ein Anbieter für AVGS Coaching in Berlin informiert über Hintergründe und Inhalte.


Wer sich dafür interessiert, sollte gezielt bei seinem Berater bei der Arbeitsagentur oder im Jobcenter nachfragen. Je besser die Aussichten auf einen dauerhaften Arbeitsplatz sind, umso eher wird man Unterstützung erfahren.

Den Weg selbst bestimmen

In einem ganz anderen Sinne geht Beschäftigungsfähigkeit übrigens verloren, wenn sich jemand aus der traditionellen Arbeitswelt verabschiedet und in die berufliche Selbständigkeit geht: Hier geht es um die wachsende Unfähigkeit, sich einem Vorgesetzten oder einem Betriebsregime unterzuordnen. Zwar setzen in der Selbständigkeit neue Zwänge ein, aber man braucht nicht umzusetzen, was andere vorgeben, oft genug mit unterschwelliger Schikane verbunden.

Ein Beispiel brachte dieser Tage ein öffentlich-rechtlicher Radiosender: Es wurde behauptet, ältere Mitarbeiter – sprich Männer – könnten oft genug nicht damit umgehen, wenn sie eine 15 Jahre jüngere Chefin bekommen. Aus der Unternehmensberatung habe ich eine andere Erfahrung: In aller Regel haben junge Führungskräfte nicht das Führungswissen zum Umgang mit langjährig Beschäftigten – der Fisch beginnt bekanntlich am Kopf zu stinken. Beschäftigte haben keine Schuld daran, wenn sie schlecht geführt werden. Junge Chefs und Chefinnen müssen also über Führungswissen verfügen und zusätzlich sehr sensibel vorgehen, wenn sie Motivation nicht zerstören wollen.

Wie die Praxis zeigt, klappt das oftmals nicht: Ältere Beschäftigte gehen lieber wenige Jahre vor Rentenbeginn die Risiken der Selbständigkeit ein, um sich dem schlechten Geführtwerden durch junge aufstrebende Führungskräfte zu entziehen.

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  • Quelle: Thomas Beier | Bildquelle: Verteller / Hans van Woerkom, Pixabay License
  • Erstellt am 05.05.2022 - 20:47Uhr | Zuletzt geändert am 17.08.2022 - 18:17Uhr
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