Wo der Online Handel seine Stärken ausspielt

Wo der Online Handel seine Stärken ausspieltBautzen / Budyšin, 22. November 2022. Von Thomas Beier. In vielen Städten flammt immer wieder die Diskussion auf, wie man den Einzelhandel, insbesondere in den City-Lagen, unterstützen und erhalten kann. Oft läuft das dann auf Marketing-Aktionen hinaus. Ist das auf Dauer hilfreich?

Abb.: Vom Shopping-Erlebnis halten Kaufkraftschwund, empfundener Zeitmangel und die Vorsicht vor Infektionen ab
Symbolfoto: fancycrave1, Pixabay License
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Stationärer Handel in Veränderung

Um zu zeigen, wo das Problem liegt, eine Erinnerung: Vor Jahrzehnten noch gab es sogenannte Eisenwarenhandlungen, oft auch als Bastlerläden bekannt. In der "DDR" haben sich solche Geschäfte besonders lange gehalten. Auch wenn es vieles nicht gab, so war das Sortiment doch überraschend breit, darunter viele Pfennigartikel.

Damit ist auch schon erklärt, weshalb sich so ein Geschäft in der Marktwirtschaft nicht halten kann: Einem relativ großen Flächenbedarf stehen sehr viele und im Einzelfall eher selten gekaufte Artikel gegenüber, von denen wegen des niedrigen Preises "nichts hängen bleibt" – die Marge aus den Verkäufen bleibt also gering.

Engpass frei verfügbares Geld

Vor ähnlichen Problemen steht der Einzelhandel generell: Der Kunde erwartet eine große Auswahl zu konkurrenzfähigen Preisen. Angesichts der immer weiter wachsenden Möglichkeiten oder – wie angesichts steigender Kosten – Zwänge der Kunden, ihr Geld auszugeben, hat es der Einzelhandel besonders schwer.

Einziger Ausweg ist das Hochpreissegment für Zielgruppen, bei denen das Portemonnaie gewöhnlich gut aufmunitioniert ist. Doch nicht jeder Händler ist eins, zwei, hoppla! für Luxusgüter glaubwürdig. Hinzu kommt: Die zahlungsfähige wie auch zahlungswillige Nachfrage kauft nicht nur deshalb, weil etwas teuer ist und ein wenig nach Luxus duftet. Außerdem gibt es Sortimente, die für das Luxus- oder Hochpreissegment kaum geeignet sind, etwa Verbrauchsmaterial oder Industriewaren im B2B-Bereich.

Weniger Zeit fürs Shoppen

Die dem Einzelnen zur Verfügung stehende Zeit für Freizeitschäftigungen wie das erlebnisorientierte Einkaufen wird immer geringer. Ein große Rolle spielt dabei die multimediale Aufrüstung in den Haushalten: Immer mehr Zeit wird am Smart-TV, am PC oder der Spielekonsole verbracht. Darunter leiden nicht nur Veranstalter im kulturellen Segment, sondern auch dem Einzelhandel gehen jene verloren, die sonst einfach so mal durch die Läden spazieren würden.

Das ist übrigens einer der viel zu wenig beachteten Vorteile des Einzelhandels: Hier wird eine benötigte Ware ohne den persönlichen Zeit- und eventuellen Transportaufwand, wie er für den Besuch eines stationären Händlers nötig wäre, verfügbar gemacht. Je weniger individuell angepasst oder ausgewählt das benötigte Produkt sein muss, desto eher kommt der Online Handel zum Zuge.

Beispiel für Online Sortiment

Ein typisches Beispiel sind Ersatzteile, vor allem Verschleißteile. Um bei den Eisenwaren zu bleiben: Wer Stahl verarbeitet, wird gewöhnlich auch Schweißen. Zum Schweißen gehören aber – je nach Verfahren – Verbrauchsmaterialien wie etwa Elektroden und Verschleißteile, zu denen unter anderem Gasdüsen und Stromdüsen zählen – alles Teile, die entweder standardisiert oder technisch eindeutig beschreibbar und damit gut online bestellbar sind.

Doch nicht nur Einzelteile, sondern man kann sogar komplette Schweißbrenner online kaufen. Sollen Komplettprodukte online verkauft werden, so ist das bei am Markt bereits gut eingeführten Artikeln und bei Markenware am einfachsten. Immer aber müssen die Artikel gut beschrieben werden, etwa durch Bilder, technische Daten, Eigenschaften und möglichst Hintergrundinformationen zu Technologien und Anwendungsszenarien.

Fehler bei der Online Präsentation

Bei Artikeln, die der Fachhandel online vertreibt, macht sich in den unterschiedlichen Branchen eine Unsitte breit. Man hat erkannt, dass erläuternde Texte unter Umständen nicht nur für mögliche Kunden hilfreich sind, sondern auch die Anzeigepositionen bei Suchmaschinen-Ergebnissen verbessern können.

Doch gerade im technischen Bereich gelingt es Anbietern oftmals nur schlecht, fachliche Aspekte so in Textform zu bringen, dass diese anregend und auch für die Fachkundschaft interessant sind. Deshalb werden gern Web-Agenturen damit beauftragt. Wenn die jedoch zwar schön formulieren können, aber vom Fachthema keine Ahnung haben, wird sich die Fachkundschaft vom betreffenden Online Angebot eher veralbert fühlen.

Immer an die Kunden denken!

Tatsächlich sind Anbieter, die in Technik und Informatik gut beschlagen sind und sich außerdem im Marketing und der Texterstellung auskennen, sehr dünn gesät. Auf jeden Fall aber müssen Anbieter darauf achten, dass die Präsentation ihrer Angebote und Waren den Bedürfnissen der Kunden entspricht.

Zum Schluss noch einmal praktisch: Man stelle sich vor, jemand möchte online Autoersatzteile verkaufen und erläutert in seinem Shop umfänglich Sinn und Zweck eines Zahnriemens. Das wäre falsch, denn wer online einen Zahnriemen bestellen möchte, der weiß, was das ist, braucht aber die Sicherheit, den genau passenden Riemen in der nötigen Qualität zu erhalten. Denkbar wären hier also Zusatzinformationen zu Verschleißverhalten und zu Wechselintervallen, aber nicht zur Funktion des Teiles an sich.

Der Autor Thomas Beier ist Diplom-Ingenieur für Fertigungsmittelentwicklung, Fachingenieur für Informatik und seit 1990 im Marketing tätig. 1994 hat er als Freiberufler die auf weiche Faktoren spezialisierte Beier Consulting und den Verbund der Saxon Consulting Group gegründet, im Jahr 2005 die gewerblich tätige BeierMedia.de mit der Regional Magazin Gruppe.

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  • Quelle: Thomas Beier | Foto: English / fancycrave1, Pixabay License
  • Erstellt am 22.11.2022 - 10:42Uhr | Zuletzt geändert am 22.11.2022 - 16:18Uhr
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